Coronamüde in Zeiten der Hochzeitsplanung

Corona Hochzeit Maske

Ich bin müde, so müde. Buchstäblich und im übertragenen Sinne.

Träume von Polizisten, die uns durch Häuserschluchten verfolgen und uns drakonische Strafen auferlegen, weil wir statt einem, zwei Freunde zu Besuch hatten. Träume von Straflagern, in die alle gebracht werden, die nicht geimpft sind, obwohl nicht genügend Impfdosen vorhanden sind. Corona hat sich in meinen Schlaf geschlichen. Langsam aber unerbittlich.

Corona macht mich müde, die Politik macht mich müde, Entscheidungen, die einem halbherzigen Kompromiss gleichen, wieder zurückgenommen, angepasst werden, Inzidenzen von 100, 50, 35, nein doch 50. Kinder unter 14, die mal als ganzer und mal als gar kein Mensch zählen, 2 Haushalte, 1 Haushalt, kein Haushalt. Ach wer weiß das schon. Ein Leben, das seit einem Jahr auf Eis liegt und eigentlich besonders jetzt so schön sein könnte, sollte.

Mir geht es gut. Ich habe das Glück, dass ich niemanden kenne, der an Corona verstorben oder schwer erkrankt ist. Ich habe das Glück, in der IT-Branche zu arbeiten und nicht in der Gastronomie oder einem anderen schwer gebeutelten Bereich. Ich bin nicht in Kurzarbeit, nicht hauptberuflich selbstständig, nicht alleinerziehend und muss mich nicht mit Homeschooling herumplagen. Mir geht es gut.

Wir machten uns das erlahmende Sozialleben so angenehm wie möglich

Dennoch bin ich müde. Ich bin es leid. Nach jeder Ministerpräsidentenkonferenz ein wenig mehr. Wir halten uns an die Regeln. Seit einem Jahr als Mitte März das Leben erlahmte. Norwegen schickte ab 12. März alle Touristen in Quarantäne. Also traten wir unseren Flug am nächsten Tag nicht an. Ist ja nur vorübergehend, wird ja bald wieder besser. Geburtstage, die wir nicht mit Familie und Freunden verbringen konnten, ließen wir bereitwillig ausfallen. Wird ja bald wieder besser. Besuche stellten wir ein. Wird ja bald wieder besser. Wir malten, wir skypten, wir machten uns das erlahmende Sozialleben so angenehm wie möglich. Und dennoch bin ich müde.

Keine Veranstaltungen, veränderte Arbeitsbedingungen, viele Unklarheiten, Masken, sorgenvolle Gesichter. Aber es ging aufwärts. Der Sommer kam und mit ihm wurden die Infektionen weniger.

Wir planten eine Hochzeit. Im letzten Jahr noch recht optimistisch. Denn es wurde besser. Der Sommer war erträglich. Der Hochzeitstermin fix, die Location gebucht, die Einladungen verschickt, das Kleid bestellt. 50 Leute, wenig Schnickschnack.

Der Winter kam. Erneuter Lockdown. Damit war zu rechnen. Doch im Frühjahr würde es besser werden. Bestimmt. Die Hochzeit im Mai wird gefeiert. Kann ja nicht ewig so weitergehen. Impfdesaster, Testdebakel, immer chaotischere Regeln. Berliner dürfen, was Bayern verboten ist. Oder war es doch andersrum? Wer weiß das schon.

Kleine Hochzeit, keine Hochzeit?

März, der ersehnte Frühling. Regeln undurchsichtig, komplizierter als zuvor. Treffen mit zwei Haushalten, fünf Personen. Veranstaltungen? In weiter Ferne. Die Hochzeit. Stornogebühren. Man wird darüber sprechen, vier Wochen vorher, wenn die Lage klarer ist. Vielleicht. Dürfen Anfang Mai Veranstaltungen stattfinden – mit Schnelltests? Wer weiß. Gäste mit weiter Anreise? Geschlossene Hotels. Kommt das Kleid rechtzeitig an, darf ich zum Schneider gehen oder muss es am Ende doch mit Sicherheitsnadeln notdürftig abgesteckt werden? Unklar.

Eine große Hochzeit war nie mein Plan. Gott sei Dank. Lieber in kleinem Rahmen als mit 100 Gästen. Keine weißen Tauben, kein Feuerwerk, keine dreistöckige Torte, kein lange einstudierter Hochzeitstanz, kein Motto, keine Deko. Es gibt kompliziertere Bräute als mich, sicherlich.

Dennoch, ich habe eine Vorstellung. Schön soll es werden, denkwürdig – nicht im negativen Sinne. Aktuell? Perspektivlosigkeit. Zwei Haushalte, der Standesbeamte und wir. Ja sagen, nach Hause gehen. Den vermeintlich schönsten Tag im Leben bei Sekt auf dem Sofa ausklingen lassen. Oder doch nicht. Wer weiß. Bis Mai sind es noch zwei Monate. Viel Zeit. Zu wenig, um eine Hochzeit zu planen, neu zu organisieren. Vielleicht ändern sich die Regeln. Vielleicht nicht. Vielleicht 10 Personen. Nicht einmal die engste Familie. Freunde? Fehlanzeige.

„Verschiebt doch“ klingt es aus allen Ecken. Ok. Wohin? Herbst 2021? Sommer 2022? Später? Gemeinsam mit allen, die im letzten Jahr und in diesem Jahr nicht heiraten konnten, um Termine kämpfen wie bei Aldi am Wühltisch um den Thermomix? Selbst eine kleine, unspektakuläre Hochzeit will geplant sein. Schon mal gemacht? Location, Caterer, DJ, Fotograf. Schwierig genug alles zu koordinieren.

Alternative? Nicht planbar

Die Alternative zum Sitzen auf dem heimischen Sofa: ein Wellnesshotel, etwas, das man sich nicht alle Tage gönnt. Geschlossen. Ein Picknick mit der Familie und den engsten Freunden. Verboten. Eine Zusammenkunft im eigenen Garten. Nicht erlaubt. Zumindest bis auf weiteres. Was in den nächsten Wochen passiert, welche Beschlüsse gefasst und wieder verworfen werden, welche Inzidenzwerte gelten und dann doch wieder nach oben oder unten korrigiert werden. Steht in den Sternen.

Ich bin müde. Geplant, umgeplant, neu geplant, Plan A, Plan B, Plan C-Z. Vorfreude? Fehlanzeige.

Was bleibt: Anfang Mai wird geheiratet. Die Hoffnung, dass der schönste Tag im Leben, von dem immer alle sprechen, überbewertet ist. Die Gewissheit, dass zwei Menschen zusammenhalten und sich ein Versprechen geben, für ein gemeinsames Leben.

Bildquelle: Photo by Ricardo Moura on Unsplash

One thought on “Coronamüde in Zeiten der Hochzeitsplanung

  1. erich says:

    Liebe Lisa,

    deine Alpträume ….. die einzige Hilfe, raus aus allen Blogs, Zeitungsnews, Nachrichtensendungen usw. Lass andere Gedanken in dich rein, ein schönes Buch, lustige Serie auf Netflix oder aus der Mediathek, Blumen auf den Balkon, den Ausbau der vierrädrigen Kiste unten im Hof … bloß keine News für eine Woche. Aus eigener Erfahrung, du fühlst dich dann erst uninformiert und stellst bald fest das dein Umfeld ehe auch nicht mehr weiß … siehe oben.
    Und eure Hochzeit … ich bin sehr optimistisch und freue mich sehr :-)))
    Liebe Grüße
    Erich

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