Endlich, endlich, endlich. Ich sitze in meinem Campingstuhl, die Füße hochgelegt, ein kühles Bier im Getränkehalter, Martin mir gegenüber. In Bosnien. Unser 12-wöchiges Sabbatical hat angefangen. Viel zu kurz. Das ist mir jetzt schon klar. War es schon lange. Aber der Stress der letzten Wochen fällt nun langsam ab.
Ein halbes Jahr haben wir unseren Transporter, einen Fiat Ducato zu unserem neuen Zuhause umgebaut. Aknes heißt unser Camper. Eigentlich sollte das nur ein Arbeitstitel sein. Aber der Name wird ihr wohl bleiben. Aknes, weil sie einen Hagelschaden hat und wir offensichtlich nach äußeren Merkmalen urteilen. Sie hat es uns wohl schon das ein oder andere Mal übelgenommen. Denn während der Ausbauphase wollte sie das ein oder andere Mal nicht so recht anspringen, bis sie dann gar keinen Mucks mehr von sich gab. Das Massekabel war wohl hinüber, konnte aber wieder an Ort und Stelle angebracht werden. So weit so gut.
Doch das war nicht der einzige Stress, den unsere liebe Aknes und die restlichen Umstände uns in den letzten Wochen vor unserer Abreise bereitet hat. Doch der Reihe nach.
Da war noch was: Unsere Hochzeit
Zunächst war da eine Hochzeit, die wir vorzubereiten hatten. Unsere Hochzeit. Geplant Anfang Mai 2021 mit 55 Gästen in einer tollen Location. Doch Corona ließ es nicht zu. So mussten wir umplanen. Schwierig, wenn man jede freie Minute in den Umbau eines Campers steckt. Doch man muss eben Prioritäten setzen. Und Priorität war definitiv unsere Reise. Immer und zu jeder Zeit. Nichtsdestotrotz wollten wir eine Hochzeit, die uns in schöner Erinnerung blieb. Doppelte Belastung also. Doch gelohnt hat es sich am Ende trotzdem. Wir haben geheiratet und es war – wider Erwarten ob der Umstände – ein unvergesslich schöner Tag.
Der Ausbau: Im tiefsten Winter
Zurück zu unserem Ausbau. Dieser startete im Januar 2021. Zugegeben, man kann sich eine bessere Jahreszeit aussuchen, um mit einem Camperausbau zu beginnen. Der Winter ist hier nicht unbedingt empfehlenswert. Anfangs ließen wir es aufgrund der Temperaturen noch langsam angehen und arbeiteten nur am Wochenende und ab und an nach Feierabend unter der Woche. Denn ja, Vollzeitjobs haben wir beide auch noch, denen wir nachgehen.
Das Wetter wurde im Frühjahr allerdings nicht besser. Regen, Wind und Schnee begleiteten uns bis in den April hinein. Gleichzeitig wurde der Zeitdruck immer größer.
Denn irgendwann bemerkten wir, dass die Abreise nicht mehr allzu weit entfernt war, dafür aber der Ausbau nur schleppend voranging. So bastelten wir: an der Isolierung, dem Strom, der Dusche, den Sitzbänken, der Toilette, dem Bett, Schränken und allerhand Kleinigkeiten. Doch dazu berichten wir an einer anderen Stelle mehr.
Der Abreisetermin war fix: Ende Mai sollte es losgehen. Ohne Wenn und Aber. Denn Mitte August mussten wir zurück sein. So haben wir also jede freie Minute in den Ausbau von Aknes gesteckt. Am Wochenende ging es samstags um 9 Uhr los und bis tief in die Nacht. Sonntags das gleiche noch einmal. In den letzten Wochen – speziell vor dem angsteinflößenden TÜV Termin – war an Feierabend vor 2 Uhr in der Nacht nicht zu denken. Das beschränkte sich dann allerdings nicht mehr aufs Wochenende. Den Laptop zugeklappt, arbeiteten wir nach unserem offiziellen Feierabend noch weitere acht Stunden daran, unseren Traum zu verwirklichen.
Vor die Abreise hat Corona die Impfung gesetzt
Aknes also, mit der wir Ende Mai zu einer dreimonatigen Europareise aufbrechen wollten, war zwischendurch eine kleine Zicke. Denn abgesehen von besagtem Massekabel gab es da noch ein weiteres – durchaus gravierenderes – Problem. Nachdem Martin sich wochenlang mit der Verlegung der Kabel, Lichtschaltern, Lichtern, Strom, dem Ladegerät und allerhand anderem beschäftigte, das mit Strom zu tun hatte, führen wir probeweise los, um eine kleine Deutschlandtour zu machen. Geplant war das nicht. Doch eineinhalb Wochen nach unserem Urlaubsbeginn war die zweite Corona Impfung angesetzt. Und jeder, der plant, ins Ausland zu fahren, weiß, dass er eine solche Impfung an den Grenzen besser vorlegen sollte. So blieb uns nichts übrig, als am 1.6. wieder zu Hause zu sein, um die lang ersehnte Spritze zu erhalten.
Rauch steigt auf aus dem Stromkasten
Das war so gesehen unser Glück. Denn als wir unseren Stellplatz an der Nordsee bezogen und in unseren Wohnraum einstiegen, schlug uns bereits ein sehr unangenehmer Geruch entgegen. Den Übeltäter konnte wir nicht ausmachen, doch wussten wir, dass das Problem irgendwo im Stromkasten liegen musste. Denn aus diesem heraus schlug uns leichter Qualm entgegen. Unschön, wenn man eine größere Reise plant und unter Zeitdruck steht. Und genauso unschön, wenn man in diesem Gefährt noch schlafen muss. Draußen zu nächtigen war aufgrund des niederprasselnden Regens keine Option. Nun denn. Ein Feuerlöscher neben dem Bett hat uns eine halbwegs ruhige Nacht beschert, auch wenn der verschmorte Geruch immer in der Luft hing. Ein Check der Verdrahtung durch einen KFZ-Mechatroniker hat keine weiteren Erkenntnisse zutage gefördert, außer, dass die Verkabelung ok aussah. Schon einmal etwas. Immerhin.
Das teuerste Teil im Auto hat den Geist aufgegeben
Der Ursache des Problems waren wir allerdings kaum näher, bis wir feststellten, dass unser Ladegerät keinen Strom mehr über den Landstrom-Eingang lieferte. Schöne scheiße. Immerzu wurde ich darauf hingewiesen, dass ich das teuerste Teil im Auto – eben jenes Ladegerät – nicht fallen lassen und pfleglich behandeln sollte. Habe ich. An mir lag es also nicht. Ein neues zu beschaffen war gar nicht so einfach, denn die Lieferzeiten lagen bei mehreren Wochen. Irgendwie habe ich wohl das letzte Ladegerät dennoch aufgetrieben und per Express bestellt. Der Express war allerdings aufgrund diverserer Verfehlungen von DHL nicht ganz so expressig, sodass es sage und schreibe 5 Tage gedauert hat, bis es endlich bei uns eingetroffen ist.
Am Rand der Verzweiflung und darüber hinaus
Dem Rande der Verzweiflung war ich da schon sehr nahe. Denn ich wollte keinesfalls noch einen Tag im regnerischen Deutschland vergeuden. Am Freitag war es dann endlich so weit, der DHL Mann brachte das ersehnte Teil, Martin baute es ein und siehe da. Es funktionierte. Noch am Abend machten wir uns endlich auf den Weg in Richtung Süden über Österreich, Slowenien, Kroatien nach Bosnien. Die Grenzübertritte sind in Corona-Zeiten ja auch so eine spannende Sache, aber alle glatt gelaufen. Und nun sitzen wir hier auf einem Campingplatz am Fluss, mit einem kühlen Blonden in der Hand und genießen unseren ersten richtigen Urlaubstag so ganz ohne den Stress der letzten Wochen.
Und eigentlich wissen wir beide schon sehr genau, dass wir genau das wollen: Im Camper leben, unabhängig sein, dem schönen Wetter folgen, on the road arbeiten und uns treiben lassen wohin auch immer es uns verschlägt.
Tja Martin, jetzt hast Du eine kleine vierrädrige und eine größere zweibeinige Zicke. Alles gute und viel Spass.
Bleibt gesund und kommt heile zurück.