Der erste Eindruck, den man bekommt, wenn man mit dem Camper nach Sarajevo fährt, ist der einer Plattenbau-Idylle, die die besten Tage schon sehr lange hinter sich hat. Ein Wohnblock reit sich an den nächsten, wobei die letzten Renovierungsarbeiten schon Jahrzehnte zurückliegen dürften – sofern denn überhaupt jemals welche stattgefunden haben. Der Smog hängt über der Stadt, die zwischen den Bergen eingekesselt liegt. Kein Wunder, scheinen die meisten Autos doch gänzlich ohne Katalysator unterwegs zu sein, wie der schwarze Rauch, der aus jedem zweiten Auspuff steigt, den Eindruck erweckt.
Doch hat man die Plattenbauten hinter sich gelassen, erblickt man süße alte Häuschen auf den Hügeln, die die bosnische Hauptstadt umgeben und fragt sich, wie die Bewohner es wohl geschafft haben, an den Steilhängen zu bauen, ohne dabei bei der Arbeit das Gleichgewicht zu verlieren und den Abhang hinunter zu purzeln. Überhaupt ist Sarajevo eine Stadt der Gegensätze: Stickige Luft und vermüllte Straßenecken zwischen Hochhäusern und altertümliche windschiefe von farbenprächtigen Blumen umgebene Häuschen. Westliche Modeketten und orientalische Bazar-Hüttchen. Die Stadt hat ihre Geschichte, die von düsteren Kapiteln durchzogen ist – das sieht man und das macht sie besonders.
Sarajevo wurde als slawische Siedlung wohl im 13. Jahrhundert gegründet und unter osmanischer Herrschaft weiter ausgebaut. Ab dem Jahr 1850 war Sarajevo bereits die Hauptstadt der damaligen Provinz Bosnien, bevor das österreichisch-ungarische Reich sie okkupierte. Geschichtsträchtig ging es auch danach weiter. Denn Sarajevo gilt als Ursprungsstadt des ersten Weltkrieges. Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau fielen hier einem tödlichen Attentat zum Opfer, das als ein maßgeblicher Auslöser des ersten Weltkrieges gilt. Am Platz des Attentates in der Nähe der Lateinbrücke befindet sich heute ein Museum, das für geschichtsinteressierte Zeitgenossen einen Besuch wert ist.
Dunkle Kapitel in der Geschichte von Sarajevo
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte war Sarajevo Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, später im zweiten Weltkrieg gehörte die Stadt zu Kroatien, bevor sie Hauptstadt der Teilrepublik Bosnien und Herzegowina wurde, die wiederum zum ehemaligen Jugoslawien gehörte. Dementsprechend setzt sich auch die Bevölkerung aus unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen zusammen. Kein Wunder also, dass Sarajevo von verschiedensten Einflüssen geprägt ist, die sich auch heute noch an allen Ecken und Enden zeigen.
Auch die Narben, die die Stadt erst in der jüngeren Geschichte in den 90er Jahren davongetragen hat, bekommen Besucher in Museen, an Gedenkstätten und alten Kriegsschauplätzen eindrücklich vor Augen geführt. Denn die Stadt wurde durch den Bosnienkrieg schwer getroffen und fiel einer vier Jahre andauernden Belagerung zum Opfer. Seit Ende des Krieges im Jahr 1995 hat sich die Stadt allerdings zu einer kulturellen Perle gemausert, die wie kaum eine andere dunkle gedenkwürdige Zeiten der Vergangenheit mit modernem Chic vereint.
Orient trifft westliche Großstadt: Die Altstadt von Sarajevo
Besonders sehenswert ist die Altstadt von Sarajevo – Stari Grad – in der eine Markierung am Boden die Verbindung zwischen West und Ost aufzeigt. Während der westliche Teil der Stadt geprägt ist von hohen Gebäuden, die mit einer deutschen Stadt durchaus vergleichbar sind, in der sich die Menschen in Geschäften tummeln und ihre Shoppingtouren erledigen, weckt der östliche Teil von Sarajevo in einem das Gefühl, in einer orientalischen Kleinstadt gelandet zu sein. Kleine Häuschen, in denen von Teppichen über kupferfarbene Trinkgefäße bis hin zu den obligatorischen Postkarten alles angeboten wird, sind zu finden neben unzähligen Kaffeehäusern, Restaurants und Shishabars.
Wie friedlich die östliche und westliche Kultur nicht nur nebeneinander sondern eben miteinander leben, lässt sich hier bestens beobachten. Verschleierte Frauen und Männer, die zum Gebet in die Moscheen strömen oder einen Plausch halten, sitzen neben Frauen, deren Sommerkleidchen eher in Po- als in Knienähe enden. Alles kein Problem in Sarajevo. Als Tourist gewinnt man den Eindruck, dass hier eben jeder sein kann, wie er möchte, ohne abfällige Blicke zu ernten. Während man sich als Touristin in Kleid oder kurzen Hosen in der ein oder anderen muslimisch geprägten Stadt durchaus fehl am Platz oder gar unangenehm fühlt, begrüßt einen Sarajevo wie einen alten Bekannten.
Dennoch war uns eine Nacht in Sarajevo genug. Städte gehören sowieso nicht zu unseren Lieblingsorten, wenn wir mit dem Camper unterwegs sind. Sarajevo ist da nicht anders und bietet an vielen Ecken ein eher trostloses Bild. Sobald man die Altstadt verlässt, trifft man auf schäbige Plattenbauten, Müll, Smog und eine Stadt, die die besten Tage seit langem hinter sich zu haben scheint. Dennoch: Sarajevo gesehen zu haben, bereuen wir nicht, was nicht zuletzt an der wunderschönen Altstadt liegt.
Sehenswürdigkeiten in Sarajevo
- Stari Grad – die Altstadt
- Lateinerbrücke: Brücke nahe der Stätte des Attentates auf Franz Ferdinand und seine Frau Sophie
- Baščaršija – Marktplatz in der Altstadt
- Sarajevo-Tunnel: Fluchttunnel während der Belagerung Sarajevos
- Rathaus von Sarajevo
- Museum der Verbrechen gegen Menschlichkeit und Genozid 1992-1995
- Die Gelbe Festung
Campingplatz in Sarajevo
In Sarajevo selbst gibt es nur wenige Campingplätze. Einige Spots, an denen man frei stehen kann, bietet die Stadt dagegen. Man muss allerdings damit rechnen, dass es sich dabei eher um Parkplätze denn um malerisch gelegene Stellplätze handelt, an denen auch gerne Müll hinterlassen wird. Wir haben es deshalb vorgezogen, uns einen Campingplatz ein wenig abseits des Trubels zu suchen.
Auf einem der Berge, die Sarajevo umgeben, findet sich Camping Olywood, ein entspanntes Fleckchen Erde, von dem aus man einen majestätischen Blick über die Hauptstadt Bosniens genießen kann. Besonders wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist und in der Stadt die Lichter angehen, bietet sich hier ein wunderschöner Ausblick.
Als wird dort waren, waren wir die einzigen Besucher, was sicher auch der Corona-Pandemie geschuldet war. Der Betreiber des Platzes ist ein freundlicher Zeitgenosse, der uns dabei geholfen hat, unsere Schiebetür richtig einzustellen, da diese leider nicht ganz dicht war, was bei Regen durchaus unangenehm ist. Er hat selbst eine Autowerkstatt, in der man ihn tüfteln sieht und war uns gerne mit seinen Ratschlägen, einer Leiter und Werkzeug behilflich.
Auf dem Campingplatz gibt es saubere Toiletten und Duschen und die Möglichkeit, den Wassertank aufzufüllen. Was man mit einem Camper tunlichst vermeiden sollte, ist die Anfahrt auf den Berg zu wählen, die in der Nähe der Altstadt beginnt. Denn hier wird die Straße sehr eng und durchaus an der ein oder anderen Stelle auch um einiges steiler als man das in einem 3,5 Tonnen Gefährt gerne hätte. Man sollte daher – wie wir das in weiser Voraussicht oder eben durch Zufall auch getan haben – die geteerte Straße wählen, die sich ein wenig länger aber dafür um einiges adrenalinärmer den Berg hochschlängelt.
In die Altstadt kann man dafür allerdings dann auf Schusters Rappen gelangen. Der 30-minütige Marsch führt vorbei an vielen alten Gebäuden, bei denen man sich fragt, wie Baumaterial und Werkzeug wohl herangeschafft wurden, an einem Friedhof, an dem man minutenlang entlangläuft und endet direkt an der Lateinerbrücke. Nachdem wir allerdings am Nachmittag die Altstadt zu Fuß besichtigt hatten, haben wir uns für den Aufstieg zum Campingplatz ein Taxi gegönnt. Und was soll man sagen: Wenn es sich nicht um das eigene Auto handelt, das den Berg hochgeprügelt wird, ist die rasante Fahrt durchaus ein amüsantes Erlebnis.