Eine Hochzeit hat – zumindest in den meisten Fällen – einen durchaus romantischen Hintergrund. Davon einmal abgesehen bringt sie aber noch so einige andere Dinge mehr mit sich, als die bloße Gewissheit, jemand anderem sein Leben lang ganz hochoffiziell auf den Wecker gehen zu dürfen und trotzdem geliebt zu werden. Über das ein oder andere Detail neben der Frage, ob es der- oder diejenige welche nun für immer sein soll, sollte man vor dem Ja-Wort doch zumindest einmal kurz nachdenken.
Die Finanzen sind da beispielsweise so eine Sache, die einen nüchternen Blick erfordern anstelle eines solchen, der durch die rosarote Brille vernebelt ist. Nun ist mir durchaus bewusst, dass frau in einem beruflichen Netzwerk wie LinkedIn nicht unbedingt in die Welt posaunen sollte, dass eventuell eine Hochzeit anstehen könnte. Denn offenbar ist verheiratet in der Karrierewelt das Äquivalent zur Katzenlady in der Datingwelt. Aber sei‘s drum.
Aus gegebenem Anlass (und weil wir auf der Hochzeitsmesse eine Beratung inklusive Gutscheinen für allerlei nette Sachen gewonnen hatten) ging es auf zum Finanzberater, der uns einen ersten Überblick über seinen Leistungen geben wollte. Netter Typ, informatives Gespräch. Nach einem kurzen Galopp durch die Themen Versicherungen und Altersvorsorge wurde es dann spannend: Steuerklassen.
Verwunderte Erleichterung oder erleichterte Verwunderung: Die Frau verdient Geld
Es sei an dieser Stelle gesagt, dass wir bis dato mit dem tatsächlich freundlichen und offensichtlich auch sachkundigen Berater nicht über unsere Gehälter und unsere finanzielle Situation gesprochen hatten. Auch die Ausbildung, der berufliche Werdegang oder sonstige Hintergründe, aus denen man auf eine Zahl auf dem Gehaltszettel schließen könnte, kamen bisher nicht zur Sprache.
Der Finanzmann stellt allgemein klar, dass ein Gehalt mit einer „2 am Anfang schon mal gut ist“. Das dahinter selbst redend mindestens drei Nullen stehen sollten, ist an der Stelle eigentlich klar. In diesem Fall könne man aber dann schon grundsätzlich eher die Steuerklasse IV/IV wählen. So weit so gut. Sogleich geht die Frage des engagierten Beraters an mich – und nur an mich: „Wie viel verdienen Sie denn?“ Dem Mann, der neben mir sitzt, wird diese Frage nicht gestellt.
Was vermittelt mir das? Offenbar ist sonnenklar, dass beim Mann mindestens „die 2 am Anfang“ steht, bei mir hingegen wurde dieser Umstand mit einem erleichterten – oder doch verwunderten? – Lächeln seitens des Beraters zur Kenntnis genommen.
Merke: Mit einem Klischee kommst du nicht gegen ein Klischee an
Da mein Freund und ich außerdem gleich alt sind, kann man auch nicht unbedingt davon ausgehen, dass einer von uns beiden alleine aufgrund des Alters schon die größeren Gehaltssprünge hinter sich hat. Also kann ich aus der Frage nur schließen, dass es an meinem Geschlecht liegen muss, weshalb mein Gegenüber scheinbar davon ausgeht, dass ich monetär den Kürzeren gezogen habe. Das bewahrheitet sich ja leider in den meisten Fällen auch. Nicht umsonst wird der Gender Pay Gap als alljährliche Sau durchs mediale Dorf getrieben.
Allerdings hat mir diese Annahme, der jegliche Datenbasis unserer persönlichen finanziellen Verhältnisse fehlt – obgleich sie richtig ist – dann doch ein Stirnrunzeln entlockt. Dabei hatte ich doch meine Brille auf. Würde man vom Klischee ausgehen, wäre ich also besonders schlau und infolge dessen ja wohl auch besonders gut bezahlt. Das sollte doch ein guter Ausgleich zu meinem Geschlecht sein, dem offenbar nicht zugetraut wird, für knapp die Hälfte des Haushaltseinkommens zu sorgen.
„Wenn Sie dann ein Kind bekommen und in Teilzeit wechseln…“ – Excuse me?
Was mir dagegen durchaus zugetraut wird, ist eine Teilzeitstelle, wenn es dann um das Thema Kinder geht. Ob wir darüber nachdenken oder nicht, ist erst einmal irrelevant. Angeschnitten wurde es seitens des Beraters dennoch. Muss ja auch, schließlich sollte man grundsätzlich erst einmal alle Eventualitäten bedenken. Soweit so gut.
Wieder werde ich angeschaut: „Wenn Sie dann ein Kind bekommen und in Teilzeit wechseln…“ Wie bitte?
Back to the 50ies: Mutti hütet das Kind, Vati verdient die Brötchen
Vermutlich sitzen die meisten Paare, die eine solche Beratung aufsuchen an dieser Stelle in nickender Eintracht nebeneinander. Schließlich ist es aufgrund diverser gesellschaftspolitischer Rahmen- und anderer Bedingungen heute leider immer noch die Regel: Frau bleibt daheim und hütet das Kind, Mann schafft das Geld ran und Frau geht, sobald es die Aufzucht des Nachwuchses zulässt, wieder einem (Teilzeit)job nach.
Kann ja jeder und jede handhaben wie er oder sie will. Für viele mag das das passende Modell sein und einige haben auch gar keine Lust wieder in Vollzeit einzusteigen. Sich um den Nachwuchs zu kümmern ist auch eine respektable Leistung und sogar in einem Teilzeitjob kann Frau Karriere machen, wenn sie das denn möchte – und der Arbeitgeber es zulässt. Fair enough also.
Mit Anlauf ins Fettnäpfchen
Aber in einem Gespräch mit mir davon auszugehen, dass ich zu Hause bleibe, die Brut hüte und danach für 20 Stunden in der Woche wieder in den Job einsteige: böser Fauxpas. Kann der gute Mann natürlich nicht wissen. Immerhin hält er sich ja auch nur an Statistiken und reale Gegebenheiten.
Doch während der nichtsahnende Finanzberater seinen Satz, in dem er von mir als Teilzeitmutti erzählt, beenden will, schaut mich mein Partner schon erwartungsvoll von der Seite an. Im Gegensatz zu unserem Gegenüber kennt er mich und meine Einstellung bezüglich des Themas ja schon ein paar Tage. Und ich enttäusche nicht.
„Warum soll denn ich in Teilzeit gehen?“
Noch bevor der arme Mann seinen Satz beendet hat, schleudere ich ihm ein freundliches aber bestimmtes „Warum soll denn ich in Teilzeit gehen?“ entgegen. Resultat: Höchste Irritation. Er wirft erst einen verwunderten Blick in meine Richtung. Doch sogleich wendet er sich dem Mann an meiner Seite zu. Als würde er befürchten, dass dieser vor Schock über die von mir geäußerte Abwegigkeit, bereits die Flucht aus dem Büro plant. In den Augen des Finanzberaters meine ich die unausgesprochene Frage lesen zu können, ob der Zukünftige denn mit meinem offenbar seltsamen Plan auch einverstanden wäre. Wäre er übrigens.
Doch – und das muss ich dem Berater lassen – er fängt sich schnell wieder und spricht ab sofort nicht mehr von mir und meiner Teilzeitposition, sondern davon, wenn „eben einer von Ihnen zu Hause bleibt“.
Das nächste Fass, nämlich dasjenige, indem sich das Kinderthema verbirgt, mache ich an dieser Stelle dann lieber nicht auf. Auch wenn mir nicht in den Kopf will, warum auch nach heutigen Maßstäben eine Heirat scheinbar zwingend Nachwuchs mit sich bringt. Schließlich weiß niemand außer mir selbst – und im Idealfall der dazugehörige männliche Part – ob ich denn überhaupt ein Kind in die Welt setzen möchte. So richtig ins Fettnäpfchen setzt man sich übrigens mit Fragen, Äußerungen und Aussagen über eine zukünftige Belagerung des Uterus einer Frau, wenn diese gar keine Kinder bekommen kann. Sei’s drum: Ich verkneif es mir tatsächlich, schließlich sind wir ja nicht erschienen, um eine Grundsatzdiskussion zu führen, sondern um eine umfassende Beratung zu erhalten. Diese war im Übrigen – auch wenn ich mir die kleine provokante Zwischenfrage erlaubt habe – tatsächlich sehr gut.
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